Tourismus in den Bergen: Tiere als Leidtragende

Tourismus in den Bergen: Tiere als Leidtragende

Gruppe von Rehen steht im Winter auf einer verschneiten Walichtung und schauen in die Kamera
Mit Wildruhezonen und Winterfütterungen, wie hier im Forstamt Frauenwald, sollen Wildtiere im winterlichen Wald vor Störungen durch Freizeitnutzer geschützt werden.
©Dr. Horst Sproßmann

Die Ansprüche unserer Freizeitgesellschaft stehen immer mehr den Lebensraumansprüchen der Wildtiere gegenüber. Nicht nur in den Alpen, auch in den Mittelgebirgen ergeben sich Konflikte

Aktuelle deutsche wie auch amerikanische wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass die negativen Effekte von Outdoor-Aktivitäten in Bezug auf Wildtiere viel größer sind als bisher angenommen. Mag der einzelne Wandernde gerade in bewaldeten Regionen noch eine relativ geringe Störwirkung auf Wildtiere haben, sieht das mit Gruppenwanderungen, Läufern, Mountainbikern, Kanuten, Gleitschirmfliegern oder Wintersportlern wie Langläufer oder auch Schlittenfahrer nach den wissenschaftlichen Ergebnissen schon ganz anders aus.

Besonders dramatisch sind die Beeinträchtigungen durch Freizeitnutzer in der Dämmerung und in der Nacht. Dies sind die Hauptaktivitätszeiten vieler Wildtiere. Hinzu kommt: Freizeitnutzer schätzen ihren individuellen Einfluss auf Wildtiere als gering ein.

Kommt der Freizeitnutzer, flüchten die Tiere

Untersuchungen der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft im Karwendel und Chiemgau zeigten, dass die Frequentierung der Wanderwege und die Einhaltung des Wegegebots den Grad der Wildtierstörung durch Erholungssuchende maßgeblich beeinflusst. Rothirsche und Gämsen etwa reagierten deutlich weniger auf Erholungssuchende auf Wegen als auf jene, die sich abseits von Wegen bewegten. „Mittels Fotofallen können einerseits touristische Aktivitäten in einer Region etwa entlang von Wanderwegen bestimmt werden, andererseits bietet das Telemetrieren von Wildtieren eine sichere Bestimmung ihres Raumnutzungsverhalten“, erläutert Volker Gebhardt, ThüringenForst-Vorstand.

Die Ergebnisse sind bisweilen überraschend. So spielt die Gruppengröße und damit die Lautstärke eine Rolle: Eine erhöhte Störwirkung für Wildtiere ging von großen und lauten Wandergruppen aus. Auch das Bewegungstempo beeinflusst die Reaktion der Wildtiere: Vor Läufern oder gar Mountainbikern erschraken die Wildtiere deutlich stärker, als vor Wandernden oder Radfahrenden. Dies zeigt, dass die Anpassungsfähigkeit bestimmter Wildtiere ihre Grenzen hat.

Wildtiere reagieren aus Angst mit Flucht, Vermeidung oder Rückzug

Wildtiere reagieren auf Störungen des Menschen mit Flucht oder das Zurückziehen in Bereiche mit weniger Freizeitaktivitäten oder besserer Deckung. Bei temporär hohen Frequentierungen durch Freizeitnutzer, etwa ein Wanderwegenetz an Wochenenden, meiden Wildtiere die Region. Amerikanische Untersuchungen deuten darauf hin, dass die Störungen durch Freizeitnutzer deutlich über die direkte Umgebung von z. B. Wanderwegen hinausgehen.

Werden Wildtiere aus ihrem Lebensraum verdrängt und konzentrieren sich in anderen Territorien, kommt es dort schnell zu Schäden an der Vegetation durch Verbiss und Schäle – auch mit Auswirkungen auf den Waldumbau und die Wiederbewaldung. Mit wildökologischen Zonierungskonzepten, Maßnahmen der Besucherlenkung oder Konzepten zur Sensibilisierung von Intensiv-Freizeitnutzenden kann der zunehmenden Problematik zum Nachteil von Natur und Landschaft entgegengesteuert werden, so die Forschenden.

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ThüringenForst Zentrale

Dr. Horst Sproßmann